Im Rahmen eines Bürgerdialogs in den Kommunen Waghäusel/Wiesental hatten die Bürger:innen am 2. Februar Gelegenheit, ihre Fragen zu den Themen Seismizität, Gebäudeschäden und Versicherungsschutz zu stellen. Die Veranstaltung war eine von zwei, die im Vorfeld des Bürgerentscheids am 26. März stattfinden, wie die Badischen Neuesten Nachrichten (bnn) berichteten.
Das vom Land Baden-Württemberg finanzierte Format „Forum Energiedialog“ hat die Aufgabe, mögliche Konflikte im Zusammenhang mit dem Ausbau der Erneuerbaren Energien zu moderieren und so für mehr Akzeptanz zu sorgen. In Waghäusel/Wiesental wurde eine Dialoggruppe mit Kritiker:innen und Befürworter:innen initiiert, die den Bürgerentscheid mit vorbereitet. Für die Veranstaltung am 2. Februar hatte die Dialoggruppe einen umfangreichen Fragenkatalog zusammengestellt und Expert:innen eingeladen. Wichtig war dabei die Ausgewogenheit: Sowohl die Kritiker:innen als auch die Befürworter:innen durften zu jedem der beiden Themen eine:n Expert:in bestimmen. Dr. Christoph Ewen vom Forum Energiedialog moderierte die Veranstaltung und brachte die Fragen aus der Dialoggruppe ein.
Induzierte Seismizität – und wie man das Risiko minimiert
Zum ersten Themenblock waren die Seismologen Stefan Baisch von der Firma Q-con GmbH aus Bad Bergzabern und Prof. Joachim Ritter vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) geladen. Baisch hat für die Deutsche Erdwärme das Gefahrengutachten zur geplanten Bohrung in Waghäusel erarbeitet, was ihm von einem Teil des Publikums als problematisch hinsichtlich seiner Neutralität ausgelegt wurde. Doch auch Prof. Ritter, der Experte der Gegenseite, befand das Gefahrengutachten für valide. Auch die sogenannte Ampel-Schaltung, die für ein Herunterfahren der Anlage sorgen soll, sobald eine gewisse Magnitude erreicht ist, sei ziemlich „scharf eingestellt“. Schon bei einer Magnitude von 1,3 werde die Reinjektion des Tiefenwassers gestoppt.
Viele Fragen drehten sich um den Themenkomplex, wie man denn sicher sein könne, dass nicht ins Grundgebirge gebohrt wird, und ob die Ampel auch in jedem Fall beachtet werde. Ein Ignorieren beginnender seismischer Erschütterungen hatte im elsässischen Vendenheim zu induzierten Erdbeben und in deren Folge zu Gebäudeschäden geführt. Dort führten die Bohrungen zudem ins Grundgebirge und der Untergrund wurde hydraulisch stimuliert. Beides ist in Baden-Württemberg nicht zulässig, in Waghäusel ist eine hydrothermale Geothermieanlage geplant. Die Experten versicherten, dass hier seismische Ereignisse äußerst unwahrscheinlich, wenn auch nicht komplett auszuschließen seien.
Die Stadt Waghäusel als Grundstücksbesitzerin werde in den Verträgen mit der Deutschen Erdwärme der Sicherheit einen sehr hohen Stellenwert einräumen, bekräftigte Oberbürgermeister Thomas Deuschle.
Weitere Fragen drehten sich um das Thema Grundwasserschutz, ob sich die Bohrungen von Geothermieanlagen in einem kleinen Umkreis gegenseitig beeinflussen könnten und ob die Deutsche Erdwärme auch die Förderung von Lithium plane. Bei letzterer Frage mischte sich der anwesende Projektleiter der Deutschen Erdwärme, Ulrich Lotz, ein. Dies sei „nicht Teil des Geschäftsmodells.“ Etlichen der Fragesteller:innen merkte man an, dass sie sich intensiv mit der durchaus komplexen Materie beschäftigt hatten. Gleichzeitig blieb die Fragerunde immer sachlich, wie die Journalistin der bnn in einem Kommentar beeindruckt anmerkte.
Gebäudeschäden und Versicherungsschutz
Doch „was passiert, wenn doch etwas passiert?“(bnn) Darüber sprachen im zweiten Themenblock die Kehler Ingenieurin Claudia Wuttke und der Versicherungsexperte Achim Fischer-Erdsiek.
Im Zusammenhang mit den seismischen Ereignissen von Vendenheim waren auch im auf der anderen Rheinseite gelegenen Kehl Risse im Putz von Gebäuden, teilweise auch im Mauerwerk oder in Bodenplatten aufgetreten. Die Erde hatte dort mit einer Magnitude von 3,9 gebebt. Da es sich beim Projektentwickler um ein französisches Unternehmen handelte, war die Schadensabwicklung komplex. Frau Wuttke – als selbst Geschädigte und Vertreterin anderer Hauseigentümer:innen – berichtete von großer Unzufriedenheit. Ansprechpersonen seien schwer zu finden gewesen, alles habe ewig gedauert und die Zahlungen seien ungenügend gewesen.
Versicherungsexperte Fischer-Erdsiek stellte dar, dass im deutschen Bergrecht die Beweislastumkehr gelte. Dies bedeutet, dass der Projektbetreiber beweisen muss, dass er nicht für den Schaden verantwortlich ist. Kann er das nicht, zahlt seine Versicherung, wobei die verpflichtend abzuschließende Summe bei 20 Millionen Euro liegt – und zwar zwei Mal pro Jahr für den unwahrscheinlichen Fall, dass es in einem Jahr zwei Schadensereignisse geben sollte.
Um die Unannehmlichkeiten für die Bürger:innen im Fall der Fälle so gering wie möglich zu halten, plant die Deutsche Erdwärme in Kooperation mit der Gemeinde eine unabhängige Ombudsstelle einzurichten, an die sich Geschädigte wenden können. Sachverständige sollten vorab bestimmt werden.
Ob es mit dieser Veranstaltung gelungen ist, Befürchtungen abzubauen und mehr Vertrauen zu schaffen, bleibt ungewiss. Am 10. März wird ein weiterer Abend zum Thema Wärme stattfinden. Vielleicht können dann auch die vielen Vorteile hervorgehoben werden, welche die Geothermie bietet: klimafreundliche, preisstabile, grundlastfähige, erneuerbare Wärme- und Stromversorgung. Dies war auch die Antwort von OB Deuschle auf die Frage, warum man in Waghäusel überhaupt so ein Projekt haben wolle: „Um unsere CO2-Bilanz zu verbessern, unabhängig von fossilen Energieträgern zu werden, an der Stromerzeugung zu partizipieren und günstig an Energie zu kommen“, zitiert die bnn.