Praxisforum Geothermie.Bayern erfolgreich gestartet

06.10.2022 | Karin Jehle
Praxisforum Geothermie.Bayern

Zwei parallele Foren thematisierten am Vormittag des Kongresstags im Bürgerhaus Pullach, wie die Bevölkerung von der Wärmewende durch Geothermie zu überzeugen ist und welche Innovationen sich aktuell auf dem Markt entwickeln.

„Das Praxisforum Geothermie.Bayern kann dieses Jahr ein kleines Jubiläum feiern“, begrüßte Enerchange-Geschäftsführer Dr. Jochen Schneider die rund 150 Teilnehmer:innen. „Vor zehn Jahren fand der erste Kongress in München statt. Seit drei Jahren sind wir hier in Pullach – deutlich kleiner als andere Geothermie-Events, aber wesentlich näher an der praktischen Umsetzung und an neuen Projekten. Dass die Geothermie in Bayern sich derart gut entwickelt, haben wir 2013 bereits gehofft. Die Gleichzeitigkeit von Klimakrise und Energiekrise bringt das Thema Wärmewende, das uns seit Jahren beschäftigt, nun jedoch in die Mitte der Gesellschaft, deutschlandweit.“

Pullachs Bürgermeisterin Susanna Tausendfreund hieß die Teilnehmer:innen ebenfalls willkommen. Seit 2005 versorgt die Innovative Energie Pullach, ein Pionier der Geothermiebranche, dort schon das kommunale Fernwärmenetz mit geothermischer Energie. Tausendfreund forderte die richtigen Weichenstellungen in der Politik ein, damit die Geothermie auch „wirklich die Rolle spielen kann, die sie spielen könnte.“

Ganz unterschiedliche, aktuell relevante Aspekte thematisierten die Key-Speakers beim diesjährigen Praxisforum.

Den Auftakt machte Wolfgang Geisinger von der Geothermie Unterhaching GmbH & Co. KG mit der lang angekündigten, seit 15. September nun endlich in Kraft getretenen Bundesförderung effiziente Wärmenetze, BEW. Die BEW unterstützt Energieversorgungsunternehmen und kommunale Einrichtungen bei der Errichtung und dem Betrieb tiefer Geothermiekraftwerke sowie dem Ausbau der Wärmenetze. Die Investitionszuschüsse setzen bei Machbarkeitsstudien an und begleiten die Projekte bis zu ihrer Realisierung. Die BEW sei weitestgehend so gekommen, wie unter anderem auch die Wärmewende durch Geothermie sie mit initiiert habe, sagte Geisinger. Die Investitionsförderung könne sich zudem durchaus sehen lassen. Dennoch übte Geisinger auch Kritik: Das Budget von drei Milliarden Euro sei zu knapp und könne schon innerhalb des ersten Jahres erschöpft sein. Auch sei der Förderzeitraum von vier Jahren für die langen Entwicklungszeiten von Geothermieprojekten deutlich zu kurz. Ein weiterer Kritikpunkt war die Antragstellung, die intransparent und überkomplex sei.

Für Bayern forderte Geisinger ergänzende Programme und Rahmenbedingungen, wie eine gute Kooperation von Ministerien, Kommunen, Projektentwicklern, AGFW, LENK, GAB und weiteren. Eine Absicherung für die Fündigkeitsrisiken, beispielsweise in einem Bayerischen Absicherungsfonds, sei notwendig. Auch die Bayerischen Behörden müssten für den kommenden Ansturm von Anträgen gerüstet und personell ausgestattet werden. „Politische Arbeit lohnt sich!“ schloss Geisinger. „Mit der Geothermie haben wir ein einzigartiges Privileg in der Hand. Gehen wir gemeinsam weiter diesen Weg.“

Prof. Dr. Christian Buchmüller, Energierechtsexperte an der Fachhochschule Westküste im Institut für die Transformation der Energiesysteme, war online zugeschaltet und sprach über das sogenannte Marktelement und seine Auswirkungen auf die Fernwärmepreise. Dieses bildet die Preisentwicklung auf den gesamten Energiemärkten ab und ist Teil der Preisanpassungsklauseln in den langfristigen Verträgen der Fernwärmekund:innen. Oftmals wird es gleichrangig mit dem Kostenelement gewichtet, das die tatsächlichen Kosten der Energieunternehmen darstellt. Wie die beiden Elemente zu gewichten sind, ist in der maßgeblichen Verordnung für die Preisgestaltung in der Fernwärme, AVBFerwärmeV, relativ unklar formuliert. Auch eine Gewichtung von 70 Prozent Kosten zu 30 Prozent Markt ist möglich. Gerade die regenerativen Energien zeichnen sich dadurch aus, dass nach hohen Investitionskosten, die Erzeugungskosten über Jahre gering und damit fix sind. Mit aktuell durch die Decke gehenden Gaspreisen verteuert ein gleichrangig gewichtetes Marktelement jedoch auch eine regenerativ gespeiste Fernwärmeversorgung. Der ursprüngliche Ansatz, Verbraucher:innen vor willkürlichen Preisen zu schützen, wird so verkehrt. Dies ist auch eine Gefahr für die Akzeptanz der Erneuerbaren Energien.

Als mögliche Lösungsansätze nannte Buchmüller die Strategie, nur die tatsächlich eingesetzten Energieträger zu berücksichtigen oder das Marktelement in der AVBFerwärmeV zu konkretisieren. Versorger können auch auf die Geltendmachung von Preisanpassungen verzichten, was Buchmüller allerdings als rechtlich unsicher ansah. Im Publikum waren durchaus einige Betreiber von Fernwärme anwesend, was lebhafte Diskussionen auslöste. Die unklare Formulierung in der AVBFerwärmeV führt zu Rechtsunsicherheit auch für Betreiber, die ihren Kund:innen die für sie eigentlich erzielbaren Preiserhöhungen ersparen wollen. „Der Wärmemarkt ist immer noch fossil dominiert und es gibt verschiedene Stellschrauben, an denen man das noch deutlich merkt“, sagte Buchmüller: „aber die Erneuerbaren werden zunehmen und entsprechend müssen wir die Rahmenbedingungen anpassen.“

Akzeptanz für Geothermie – ein Thema, das in Forum I am Vormittag noch einen größeren Rahmen bekam, – sollte Dr. Fritz Reusswig vom Potsdam Institut für Klimafolgenforschung PIK in seiner Keynote ansprechen. Der Soziologe forscht zu den gesellschaftlichen Bedingungen für eine Akzeptanz der Energiewende. Leider war er coronabedingt verhindert und konnte nicht teilnehmen.

Anschließend konnten sich die Sponsoren und Aussteller in Kurzvorträgen präsentieren. Vertreten waren die NW Assekuranz, ENEX POWER Germany, Halliburton, DMT GmbH & Co. KG, Hartmann Valves & Wells, Daldrup & Söhne AG, Oil Dynamics und Baker Hughes.

Akzeptanz im Zeichen der Wärmewende - das Forum I

Geothermie hat immer wieder mit Vorbehalten in der lokalen Bevölkerung zu kämpfen. Oftmals beruhen diese auf Falschinformationen. Wiederkehrende Themen sind die Sorge vor Erdbeben, Belastung des Grundwassers oder Bodenhebungen. Die Referent:innen in Forum I beleuchteten unterschiedliche Perspektiven auf die Kommunikation von Geothermieprojekten.

Keine Frage – die Wärmewende ist ein Gewinn für alle. Doch um dies auch kommunikativ rüberzubringen, sollten Kommunen und Projektentwickler transparent und partizipativ vorgehen. Melanie Glötzl von der Landesagentur für Energie und Klimaschutz (LENK) hat hierfür eine Informationskampagne für die Wärmewende entwickelt. Wichtig sei es, neben einem einfachen Zugang zu komplexen Themen auch Emotionen zu wecken, die Selbstwirksamkeit zu stärken und auch Spaß an Aktivitäten zu erzeugen. Denn Information allein führt nicht zum Handeln. So könne beispielsweise eine Aufbruchsstimmung in einer Gemeinde – zusammen schaffen wir uns eine erneuerbare Wärmeversorgung – den Anschluss an das Wärmenetz befördern. Wichtig seien dabei sogenannte „Narrative“, Erzählungen, die im Kopf der Menschen sind. Statt „Klimaschutz ist teuer“, wie es oft noch kolportiert wird, sei „Kein Klimaschutz ist viel viel teurer“ die heute eigentlich relevante Erzählung. Auch das Storytelling sei wichtig, beispielsweise der „Huber Sepp“, der als einfacher Bürger eine Solaranlage installiere oder sich ans Fernwärmenetz anschließe.

Im Münsterland führte der Geologische Dienst NRW 2021 seismische Messungen im Rahmen der geologischen Landesaufnahme durch. Wie diese durch aktive Kommunikationsarbeit in Presse, Veranstaltungen und Social Media begleitet wurden, zeigte Ingo Schäfer vom Geologischen Dienst NRW auf. Die Kommunikation erfolgte einerseits auf der öffentlichen Ebene, um die Bevölkerung vor Ort mitzunehmen. Andererseits war es wichtig, die Politik- und Verwaltungsebene zu adressieren, da umfangreiche Genehmigungen einzuholen waren. Die entsprechenden Kommunikationsmaßnahmen waren optimal aufeinander abgestimmt. Eine kommunikative Herausforderung waren die Nachtmessungen. Es sei wichtig, die Anwohner:innen an der Strecke vorab zu informieren, bevor sie nachts aus dem Bett gerüttelt werden. Das Projekt wurde von der Presse sehr positiv aufgenommen, es gab mehrere Besuche beim Messtrupp von Hochschulen, Lokalpolitik und Journalist:innen. Die Untersuchungsergebnisse liegen jetzt vor und wurden im September in die Öffentlichkeit getragen. Nun folgen die Beratungen für die Kommunen vor Ort, die ihr geothermisches Potenzial nutzen wollen. Durch die Kampagne, geplant und durchgeführt von der Agentur Enerchange, sei es gelungen, das Thema geothermische Wärmenutzung nachhaltig in die Region zu bringen und positiv zu besetzen.

An gleich vier Standorten rund um Karlsruhe entwickelt die Deutsche Erdwärme Geothermieprojekte. Am weitesten fortgeschritten ist Graben-Neudorf. Geschäftsführer Herbert Pohl sprach über den intensiven Bürger:innen-Dialog, der die Projekte von Anfang an begleitet hat. Im Oberrheingraben ist das Thema Geothermie extrem negativ aufgeladen. Zudem war das Thema Klimaschutz 2018 noch nicht so unumgänglich wie heute. In diesem Kontext, startete die Deutsche Erdwärme ihre Projekte. Für die Kommunikation hat das Unternehmen eine „Tool-Box“ entwickelt. Dazu gehört eine Informative Internetseite mit umfangreichem FAQ-Bereich. Es gibt Informationsmaterialien, wie Flyer, oder Anzeigen in der lokalen Presse. Mit Informationsveranstaltungen, Infoständen, Bürgerräten und Bürgersprechstunden geht die Deutsche Erdwärme direkt auf die Bevölkerung zu. Im Informationszentrum am Bohrplatz in Graben-Neudorf waren bereits zahlreiche prominente Besucher:innen zu Gast, wie Regierungspräsidentinnen Bärbel Schäfer und Sylvia Felder, Staatssekretär Andre Baumann sowie Abgeordnete von Kreis- und Landtag und den Kommunen. „Man muss ein Informationsüberangebot schaffen“, sagte Pohl. „Man muss den Punkt erreichen, wo man sagen kann, wir haben wirklich auf allen Kanälen informiert.“ Zudem müsse man ehrlich sein und glasklar informieren, wo mögliche Risiken sein könnten. Man müsse auch offen Position dazu beziehen, was in anderen Projekten falsch gelaufen ist. Dabei gelte es jedoch, sich von dem Ziel verabschieden, alle zu überzeugen. Ziel müsse es sein, die ganz überwiegende Bevölkerung, die überwältigende Mehrheit zu erreichen. „Ganz wichtig ist es, das positive Ziel zu kommunizieren: Klimaschutz, Wärmewende und eine positive Zukunft für unsere Kinder und Enkel.“

Den journalistischen Blick auf Geothermieprojekte stellte Michael Morosow von der Süddeutschen Zeitung dar. In der Presse ist das Thema Geothermie im Vergleich zu Solar und Wind immer noch in der Nische. Eine Umfrage bei den Kolleg:innen habe ergeben, dass sich die Qualität der Pressemitteilungen seitens der Geothermieunternehmen und die Erreichbarkeit der Ansprechpartner:innen deutlich verbessert hat. „Mit Transparenz beugen Sie vor, dass sich der Journalist veräppelt fühlt“, sagte Morosow. Den überregionalen Journalismus spreche z. B. der BVG an. Für die Lokalpresse sind dagegen die lokalen Geschichten interessant, wie beispielsweise eine Panne der Förderpumpe. „Wenn bei der Tiefenbohrung Probleme auftreten, laden Sie uns doch auf den Bohrplatz ein und lassen Sie uns mit der Bohrmannschaft sprechen. Wir beißen nicht und ein bisschen Human Touch ist immer gut.“

In der anschließenden Podiumsdiskussion ging es um die Frage: Wer muss informieren? Gibt es eine Hol- oder eine Bringschuld? Eine proaktive Information ist eminent wichtig und sollte schon – auch mit Budget und Personal – in der Projektplanung enthalten sein. Bürgerinfoveranstaltungen mit großem Podium können dazu führen, dass einzelne Gegner:innen die Veranstaltung dominieren. Formate mit einzelnen Informationstischen sind oftmals sinnvoller. Aus Sicht der Presse sind die großen Veranstaltungen dagegen schon wichtig und diese nehme auch nicht nur die negativen Stimmen mit in die Berichterstattung auf. Diskutiert wurde daraufhin die Ausgewogenheit der Berichterstattung, die nicht immer gegeben ist.  

Aktuell hat die Energieversorgung durch geothermische Fernwärme Rückenwind. Die Kommunen suchen händeringend nach Unabhängigkeit von fossilen Brennstoffen. Herbert Pohl warnte jedoch davor, jetzt das Narrativ zu ändern. Auch weiterhin solle der Klimaschutz im Mittelpunkt stehen, auch wenn jetzt noch eine hohe wirtschaftliche Attraktivität hinzukommt. Ingo Schäfer sieht einen Bedarf, auch die Politik aufzuklären und mitzunehmen. Best Practise Beispiele wie München sind dabei sehr hilfreich. Auch Melanie Glötzl empfahl, die Kommunikationsstrategie nicht zu ändern. Geothermie sei wichtig zur Erreichung der Klimaschutzziele, aber keine kurzfristige Lösung für den nächsten Winter.

Gemeinsam die Wärmewende voranbringen - Statements der Silbersponsoren

Wenn die Geothermie ihren Beitrag zur Wärmewende leisten soll, müssen die Weichen jetzt entsprechend gestellt werden. Das finden auch die beiden Silber-Sponsoren des Praxisforums, NW Assekuranz und ENEX POWER Germany.

„Die Geothermie kann einen gewaltigen Beitrag zur Wärmewende leisten – das müssten mittlerweile alle verstanden haben“, sagt Hartwig Schröder von ENEX POWER Germany. „Jetzt kommt es darauf an, dass die Weichen richtig gestellt werden. Wärme aus Geothermie ist zuverlässig, nachhaltig und jetzt auch wettbewerbsfähig.“

„Geothermie Jetzt!“, fordert Achim Fischer-Erdsiek, von der NW Assekuranz. „Mehr Mut zur Eigenverantwortung von Unternehmen und Kommunen. Starten Sie die Planungsphase und nutzen das Momentum der dringenden Notwendigkeit. Es gibt keine bessere sinnvolle Alternative für die Wärmeversorgung.“