Geothermische Wärmewende – verbesserte Rahmenbedingungen für eine schnelle Umsetzung

17.10.2024 | Veranstaltungen | Karin Jehle
Matthias Tönnis (l.) und Andreas Ronge (r.)

Auf dem 12. Praxisforum Geothermie.Bayern in Pullach im Isartal diskutieren Expert:innen aus Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und Praxis am Vormittag des Kongresstags, was die Branche aktuell umtreibt. Das neue gemeinsame Förderkreditprogramm von KfW und Munich RE zur Absicherung von Fündigkeitsrisiken soll schon in den kommenden drei Jahren 65 Geothermieprojekten einen gewaltigen Schub geben. Bis 2030 sollen 100 Projekte gefördert werden.

Mit Pullachs Bürgermeisterin Susanna Tausendfreund begrüßte eine Pionierin der Geothermie die Teilnehmer:innen. 2002 gründete die Gemeinde Pullach im Isartal die Innovative Energie für Pullach (IEP), seit 2005 profitieren Haushalte und Betriebe von der regionalen, klimafreundlichen, sicheren Wärme aus der Tiefe. Das Pullacher Netz wurde seitdem stetig ausgebaut, weitere Bohrungen sind in Planung. Neu ist der Verkauf von CO2-Zertifikaten. Am heutigen Kongresstag ging der Erlös an Pullachs Partnergemeinde in der Ukraine, um ihnen zu helfen den kommenden Winter zu überstehen.

Veranstalter Dr. Jochen Schneider von der Enerchange GmbH & Co. KG ging anschließend in seinem Grußwort auf die äußerst erfreuliche Entwicklung in der Geothermiebranche ein: „Es ist einiges passiert im vergangenen Jahr und zahlreiche neue Projekte entstehen. Wir freuen uns, dass es so vorangeht.“ Wie die Geothermie mit deutlich verbesserten Rahmenbedingungen einen gewaltigen Schub bekommen kann, stellten die Key-Speaker am Vormittag des Praxisforums dar.

Absicherung der Fündigkeitsrisiken durch KfW und Munich RE

Eine Geothermiebohrung kostet viele Millionen Euro. Wird dann im Untergrund kein – oder zu wenig – heißes Tiefenwasser vorgefunden, ist das Geld im wahrsten Sinne des Wortes in den Sand gesetzt. Gerade für Kommunen und Stadtwerke ist dies ein Risiko, das sie nur schwer tragen können. In ihrer Keynote stellten Andreas Ronge von der bundeseigenen Förderbank KfW und Matthias Tönnis vom Rückversicherer Munich RE neue Optionen für die Absicherung von Fündigkeitsrisiken vor. „Bayern ist ja ein Vorreiter in der Geothermie. Wir beide wollen heute dazu beitragen, dass das Thema nicht nur in Bayern gepusht wird, sondern bundesweit“, sagte Andreas Ronge. „Wir hoffen, dass wir mit dem Programm dazu beitragen können, dass Projekte umgesetzt werden, die vielleicht sonst nicht realisiert werden könnten.“ Matthias Tönnis ergänzte: „Ein Riesenkompliment an die KfW dafür, in welch kurzer Zeit hier ein solches Programm realisiert werden konnte.“

Die KfW plant einen Förderkredit Geothermie, der nahtlos an die BAFA-Förderung für u. a. Machbarkeitsstudien im Vorfeld einer Bohrung anschließt. Es handelt sich um eine kombinierte Finanzierung mit Risikoabsicherung. „Das soll auch eine Finanzierung sichern, die über Banken vielleicht sonst nicht dargestellt werden könnte“, so Andreas Ronge. In den nächsten drei Jahren sollen etwa 65 Projekte begleitet werden, bis 2030 sollen bundesweit 100 Geothermieprojekte umgesetzt werden. Zu ihrem Erfolg soll das neue Programm beitragen. Das Darlehen durch die Bundesförderung ist bedingt rückzahlbar und sieht einen Schuldenerlass von bis zu 100 Prozent des Bankdarlehens für die Bohrung bei Nicht- oder Teilfündigkeit vor. Es ist kombinierbar mit der Bundesförderung effiziente Wärmenetze (BEW). Der Start ist für Januar 2025 vorgesehen, steht jedoch noch unter Haushaltsvorbehalt. Ansonsten ist alles vorbereitet. „Wir haben ausführlich mit den vier großen Bankenverbänden und interessierten Finanzierungspartnern gesprochen, die wir standardmäßig vor Einführung von Programmen informieren“, sagte Ronge.

Die Munich RE ist seit 20 Jahren im Bereich der Absicherung von Fündigkeitsrisiken tätig. „Mangelnde Fündigkeit ist in der Geothermie immer noch das Hauptrisiko, nur 73 % der Bohrungen sind im ersten Anlauf fündig, bei 16 % kann nach Ertüchtigung der Bohrung noch eine ausreichende Fündigkeit erzielt werden, 11 % sind nicht fündig“, erklärte Matthias Tönnis. „Je besser die Datenlage ist, desto besser lässt sich ein Projekt absichern.“ Die Fündigkeitsversicherung konzentriert sich auf die kommunale Wärmeversorgung und auf Industrie mit Wärmebedarf. Sie entspricht den Bohrkosten und enthält auch eine dynamische Anpassung an mögliche steigende Kosten und Stimulationsmaßnahmen, wie die Bohrung eines Sidetracks oder die Säuerung einer anfangs trockenen Bohrung. Die mögliche Auszahlung wird anhand der erreichten thermischen Leistung definiert, bei einer Teilfündigkeit gibt es entsprechend eine Teilauszahlung. Die Risikobeurteilung und damit die Prämie werden durch verschiedene Faktoren beeinflusst, z. B. durch die geographische Lage, die Datenlage und die versicherten Leistungen oder einen möglichen Selbstbehalt. „Das Programm in Kombination mit der KfW ermöglicht es jetzt, Projekte abzusichern, die bisher nicht versicherbar waren, und wird der Branche einen enormen Schub geben“, sagte Tönnis. Projektskizzen können ab sofort bei der Munich Re zur Prüfung eingereicht werden, sobald es nach Verabschiedung des Haushalts das finale Go der Regierung gibt, kann auch die Finanzierung losgehen.   

Genehmigungsverfahren beschleunigen

Wie Genehmigungsverfahren in der Praxis beschleunigt werden können, zeigte anschließend Alexander Rettenberger vom Bergamt Südbayern auf. Von Bundesseite liegt aktuell ein Gesetzesentwurf zur Beschleunigung von Genehmigungsverfahren vor. Der Ausbau der Geothermie soll damit im überragenden öffentlichen Interesse liegen, auch die Novellierung des Bundesberggesetzes steht an. Maßnahmen seitens des Bergamts sind die Verbesserung der Absprachen mit den Trägern öffentlicher Belange und den Behörden. Insofern ist eine Beteiligung des Bergamtes bei den Absprachen sinnvoll und soll zukünftig stattfinden. Zur Antragstellung gab Rettenberger eine Reihe von Hinweisen, wie diese vollständiger und kompakter abgefasst werden können, um die Antragsbearbeitung zu beschleunigen.

Auf die Wirtschaftlichkeit von Geothermieprojekten und welche Optionen es hier gibt, ging Helmut Mangold von der IEP als letzter Keynote-Redner ein. Er forderte verlässliche Ansagen der Politik und verlässliche Rahmenbedingungen. „Erst ab einem CO2-Preis von 150 Euro kann die echte erneuerbare Wärme mit der Kraftwärmekopplung mithalten“, sagte Mangold. „Es würde auch helfen für erneuerbare Wärme einen vorrangigen Zugang zu Wärmenetzen zu ermöglichen, ähnlich wie beim regenerativen Strom. Es braucht außerdem verlässliche Förderregime, ohne Verlässlichkeit kann man kein Projekt angehen, das einen Zeithorizont von fünf bis zehn Jahren hat.“ Zudem forderte er Bürgschaften von Landesseite, da die Kommunen damit überfordert sind. Sinnvoll wäre auch ein Zukunftsfonds zur Finanzierung von Wärmevorhaben, beispielsweise durch Stadtwerke, die vielen Investoren „zu klein“ seien. Als neues Projekt der IEP stellte Mangold den „Pullach Erneuerbare Energie Wärmeindex (PEEWI)“ vor, zu dem Fernwärmeunternehmen mit einem Anteil von mindestens 60 % EE ihre Daten beitragen können.

Quelle:

Enerchange